Autor: Dr. Kurt A. Moosburger – Quelle: http://www.dr-moosburger.at/Auf Grund einer maschinellen Konvertierung kann diese Darstellung (noch) vom Original abweichenmoo 04/04
Was ist dran an der “GLYX“-Diät? Der “glykämische Index“ (GI) ist heute in aller Munde und findige Leute, die der Ernährungslehre des Herrn Montignac (übrigens weder Ernährungswissenschaftler noch Ernährungsmediziner, sollte das nicht bekannt sein) einen neuen Namen geben wollten, haben daraus den attraktiv klingenden Begriff der “Glyx“-Diät geprägt. Wenn man heute populärwissenschaftliche Zeitschriften liest, bekommt man den Eindruck, etwas falsch zu machen, ja sogar seiner Gesundheit zu schaden, wenn man seine Ernährung nicht nach dem GI richtet. Neben dem immer noch beworbenen Buch Montignacs treten bei uns in Österreich vermeintliche (in Wirklichkeit sind es selbsternannte) Ernährungsexperten wie die “Professoren“ Hademar Bankhofer und Wolfgang Peer als Fürsprecher der “richtigen“ und Verdammer der “falschen“ Kohlenhydrate medial in Erscheinung. Auch ein Mediziner, der Grazer Radiologe Wolfgang Kopp ist auf diesen Zug aufgesprungen und will ebenso wie der bekannte deutsche Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm (Stichwort “LOGI“ = low GI) glauben machen, dass die Ursache der Entstehung von Übergewicht durch die Zufuhr von “falschen“ Kohlenhydraten, sprich Zucker und Nahrungsmitteln mit hohem GI (wie Kartoffeln, Reis usw.) und überhaupt durch die Zufuhr “zu vieler“ Kohlenhydraten bedingt ist, weil der postprandiale Anstieg des Insulinspiegels im Blut als Antwort auf den Blutzuckeranstieg zur Speicherung von Körperfett führen soll (postprandial = nach einer Mahlzeit). Aber hält die “Glyx“-Diät das, was sie verspricht bzw. ihre Fürsprecher behaupten? Nämlich durch die Zufuhr von Kohlenhydraten mit niedrigem GI erstens weniger Hungergefühl zu haben und zweitens die Entstehung von Übergewicht vermeiden zu können? Um es vorweg zu nehmen – nein. Was ist eigentlich der glykämische Index? Er ist ein Maß für die Blutzuckerreaktion, sprich den Anstieg der Blutglukose (“Blutzuckerspiegel“) nach dem Verzehr eines kohlenhydrathältigen Nahrungsmittels. Je höher dieser Index, um so steiler ist der Anstieg des postprandialen Blutzuckerspiegels. In der Regel wird Glukose (=Traubenzucker) der Referenzwert 100 zugeordnet. Manche Indizes beziehen sich auf Weißbrot als Referenzwert, was die mitunter etwas unterschiedlichen GI- Angaben für das gleiche Nahrungsmittel erklärt. Für das Ausmaß der Insulinausschüttung relevanter als der GI eines Nahrungsmittels ist dessen “glykämische Last“ (glycemic load, GL). Dieser Parameter ist definiert als das Produkt aus dem GI und der Menge an Kohlenhydraten in Gramm geteilt durch 100. Außerdem stimulieren nicht nur Kohlenhydrate, sondern auch Proteine und sogar (wenngleich nur geringfügig) Fette eine Insulinausschüttung – zwar nicht so stark wie Kohlenhydrate, aber doch signifikant (vor allem Proteine), erst recht bei größerer Nahrungsmenge. Bei komplexen Lebensmitteln entscheidet die Nährstoffzusammensetzung im weiteren bzw. die Magenentleerungsgeschwindigkeit im engeren Sinne über den GI. Nimmt man Kohlenhydrate zusammen mit Ballaststoffen (z.B. Vollkornprodukte), Eiweiß (z.B. gezuckerte Milch) oder Fett (z.B. Schokolade) auf, dann fällt die Blutzuckerantwort langsamer aus, als wenn man isolierte Kohlenhydrate zu sich nimmt, weil sich der Magen langsamer entleert. Wie eingangs bereits erwähnt, gibt es Ansätze in der Ernährungsberatung, die den GI für den Körperfettanteil verantwortlich machen. Das wird durch die postprandiale Insulinausschüttung begründet, die wiederum die Lipolyse (= Spaltung von Fetten) hemmt (und damit indirekt die Fettspeicherung fördert). Physiologisch gesehen ist das aber Unsinn, weil hier die Energiebilanz außer Acht gelassen wird. Demnach müsste Schokolade, die durch ihren hohen Fettgehalt einen relativ niedrigen GI, aber dafür einen hohen Energiegehalt von über 500kcal pro 100 Gramm aufweist, zum Abnehmen günstiger sein als Weißbrot. Ich hoffe, dass jedem einleuchten wird, wie unrealistisch das ist. Der hohe GI von Weißbrot sinkt, sobald es mit einer Scheibe Schinken belegt wird. Beim stoffwechselgesunden Menschen steigt der 1 Bitte bewerte uns: Blutzuckerspiegel nach einer kohlenhydrathältigen Mahlzeit – und sei sie noch so reichhaltig – unabhängig vom GI und auch unabhängig von der GL nie über ein bestimmtes Maß an. Außerdem ist die Insulinantwort im Anschluss an eine kohlenhydratreiche Mahlzeit nicht nur völlig normal, sondern auch notwendig (um Glukose und Aminosäuren in die Körperzellen zu schleusen) und hat mit einem langfristigen Auf- und Abbau von Körperfett nichts zu tun. Letztere Vorgänge sind einzig und allein eine Frage der Energiebilanz. Diese – und nicht das Insulin – ist das Kriterium, das über das “Schicksal“ unseres Körperfettanteils entscheidet. Die Energiebilanz stellt sozusagen das Fließgleichgewicht zwischen dem Auf- und Abbau von Neutralfetten im Fettgewebe ein (Lipogenese Lipolyse). Insulin ist das anabole Hormon der Bauchspeicheldrüse. Es hemmt die Lipolyse (neben seinen weiteren Wirkungen wie die Förderung der Aufnahme von Glukose in die Körperzellen, die Förderung der Glykogensynthese in Muskulatur und Leber sowie die Förderung der Aufnahme von Aminosäuren in die Zellen). Die Lipolyse (Spaltung der Triglyceride = Neutralfette in Glycerin und freie Fettsäuren) wird aber auch bei einem vorübergehenden postprandialen Anstieg des Insulinspiegels nie vollständig unterdrückt. Außerdem heißt eine vorübergehende Hemmung der Lipolyse nicht, dass damit überhaupt keine Betaoxidation (“Fettverbrennung“) in den Mitochondrien der Zellen mehr stattfindet. Dieser Denkfehler wird aber immer wieder begangen. Die Behauptung der Glyx- und LOGI-Anhänger, die Zufuhr von Kohlenhydraten mit hohem GI würden zwangsläufig eine “überschießende” Insulinausschüttung bewirken, die zu einem Abfall des Blutzuckerspiegels unter das Ausgangsniveau bzw. sogar zu einer Hypoglykämie und damit zu Heißhunger führen würde, ist nicht haltbar und entbehrt jeglicher physiologischen Grundlage. Abgesehen von der Unlogik einer “Unterzuckerung” durch die Zufuhr von Kohlenhydraten und der Tatsache, dass der Blutzuckerspiegel selbst im Nüchternzustand nie unter ein gewisses Niveau abfällt (weil der Leberstoffwechsel durch Glykogenabbau und Glukose-Neubildung dafür sorgt, dass immer genügend Glukose für das Blut zur Versorgung primär des Gehirns, aber auch aller anderen Organe bereitgestellt wird), ist der Blutglukosespiegel nicht der entscheidende Gradmesser für ein Hungergefühl. Als sog. glukostatisches Signal spielt vielmehr die zelluläre Verfügbarkeit an Glukose, vor allem im Hypothalamus und in der Leber, die Hauptrolle. Das Hungergefühl wird so wie das Sättigungsgefühl vom Hypothalamus gesteuert. Neben den glukostatischen Signalen gibt es noch weitere metabolische Signale für die Steuerung der Nahrungsaufnahme, nämlich lipostatische, aminostatische, ischymetrische (ATP-Bildungsrate in den Körperzellen, v.a. in der Leber) sowie thermostatische (Abweichungen der Körperkerntemperatur) Signale. Neben diesen metabolischen Signalen gibt es weitere afferente Signale ans ZNS, v.a. den Hypothalamus, für die Steuerung des Hunger-Sättigungs-Mechanismus, und zwar Informationen aus dem Magen-Darm-Trakt (Dehnungsrezeptoren, gastrointestinale Hormone wie z.B. Cholecystokinin sowie vagale Afferenzen) sowie sensorische Informationen (Geruch, Geschmack), die allesamt von Neurotransmittern integriert werden. Das Nahrungsaufnahmeverhalten ist sehr komplex und die Kenntnisse darüber noch nicht vollständig erforscht. Aber eines kann man vereinfacht sagen: “Hunger” (und ebenso die Sättigung) geht im wahrsten Sinn des Wortes vom Kopf aus! siehe auch die unten angeführte Literatur: “Der Glykämische Index – über Sinn und Unsinn“ “The Satiety Index“ “Influence of Glycemic Index/Load on Glycemic Response, Appetite, and Food Intake in Healthy Humans“ Ein weiterer Irrtum der “Glyx-Jünger“ zeigt deren mangelhaftes Fachwissen über die Biochemie des Intermediärstoffwechsels auf, wenn behauptet wird, dass die “falschen“ Kohlenhydrate durch die Insulinausschüttung direkt in Fette umgewandelt und sogleich als Körperfett gespeichert werden. Die Umwandlung von Glukose in Trigyceride ist biochemisch zwar möglich, aber gar nicht so einfach [Für biochemisch Interessierte: Das hängt damit zusammen, dass die Aktivität der für die Fettsäuresynthese aus Acetyl-CoA notwendigen Enzyme (u.a. Acetyl-CoA- Carboxylase, ATP-Citratlyase und Fettsäuresynthetase) beim Menschen gering ist. Außerdem ist die Energieumwandlung von Kohlenhydraten zu Fett ein ineffektiver Vorgang, der mit einem erheblichen Energieverlust (fast 25%) einhergeht] und geschieht erst bei einer übermäßigen
Kohlenhydratzufuhr. Bevor im Fettgewebe “neues” Fett aus Glukose gebildet wird, kommt es noch zu einer Steigerung der Thermogenese. Das ist vielfach nicht bekannt. Somit ist eine “Kohlenhydrat-Phobie“ irrational und von vornherein ungegründet. Solange man sich nicht mit Kohlenhydraten “mästet“ und damit eine positive Energiebilanz erzeugt, wird man nicht dick davon. Dick wird man nur, wenn man mehr Kalorien zuführt als man verbraucht – unabhängig von der Zusammensetzung der Nahrung. Wer gesund und nicht übergewichtig ist und somit keine Hyperinsulinämie bzw. Insulinresistenz aufweist, kann also den GI ruhigen Gewissens ignorieren. Als Sportler sollte man ihn im Auge behalten, wenn man vor einem Wettkampf oder Training noch etwas isst. Da wäre es weniger empfehlenswert, eine Mahlzeit mit niedrigem GI und damit verbundenem hohen Fett- oder Ballaststoffgehalt zu verspeisen. Auch unmittelbar nach dem Sport ist die Zufuhr von Kohlenhydraten mit hohem GI, vorzugsweise Zucker, empfehlenswert, um ein rasches Wiederauffüllen der entleerten muskulären Glykogenspeicher einzuleiten. Man darf also dem GI keine so große Bedeutung beimessen, wie es derzeit geschieht. Abgesehen davon muss man differenzieren, ob es sich um einen Normalgewichtigen mit normaler Glukosetoleranz (normaler Blutzuckeranstieg nach Glukose- bzw. Kohlenhydratzufuhr) oder um einen Übergewichtigen bzw. Adipösen mit gestörter Glukosetoleranz (übermäßiger BZ-Anstieg) aufgrund einer Insulinresistenz handelt (metabolisches Syndrom). In letzterem Fall, vor allem, wenn bereits ein NIDDM (nicht insulinabhängiger Diabetes mellitus = Typ 2-Diabetes mellitus, früher “Altersdiabetes“ genannt) vorliegt, kann es zweckmäßig sein, sich kohlenhydratbewusst zu ernähren, um den postprandialen Blutzuckerspiegel nicht zu hoch ansteigen zu lassen, weil das die Microangiopathie fördert, also die kleinen Blutgefäße in der Niere und Netzhaut schädigt. Wobei man aber aufpassen muss, dass man sich vor lauter Achten auf einen niedrigen GI nicht zu fettreich ernährt – denn das würde wiederum eine positive Energiebilanz begünstigen bzw. eine negative Energiebilanz und damit eine Reduktion des Körperfettanteils als kausalen Therapieansatz des metabolischen Syndroms verhindern. Weiters würde durch eine fettreiche Kost eine bereits bestehende Insulinresistenz (die sich in Form einer gestörten Glukosetoleranz zeigt, sprich als übermäßiger Blutzuckeranstieg und verzögerter BZ-Abfall beim oralen Glukosetoleranztest (OGTT) bzw. nach einem kohlenhydrathältigen Frühstück) weiter verstärkt werden, weil die postprandial anflutenden Fettsäuren nicht nur ins Fettgewebe, sondern auch in die Leber und vor allem in die Muskulatur eingeschleust werden. Das würde die Entwicklung eines Typ 2-Diabetes mellitus beschleunigen. Der Typ 2-Diabetes mellitus ist primär keine Zuckerkrankheit, sondern eine Fettkrankheit! Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von den “Glyx“-Anhängern, die das Insulin zum “Sündenbock“ in Sachen Übergewicht stempeln, nicht bedacht wird: Der Anstieg des Insulinspiegels im Blut im Rahmen einer Mahlzeit hängt nicht nur von den zugeführten Kohlenhydraten, sondern auch Proteinen und Fetten ab. Die Insulin“antwort“ korreliert also nicht nur mit dem GI und der GL, sondern auch mit dem Energiegehalt der zugeführten Mahlzeit. Zusammenfassung Man darf nicht den Fehler machen, wie Montignac zu argumentieren, indem man die Thermodynamik und damit die Energiebilanz als letztlich entscheidendes Kriterium für die Entstehung von Übergewicht ignoriert. Kein Makronährstoff macht per se dick, auch nicht das Insulin, sondern einzig und allein eine positive Energiebilanz! Und dabei ist es egal, von welchem Makronährstoff zuviel zugeführt wird, jede “überschüssige“ Kalorie, egal, woher sie stammt, wandert in die Fettdepots. Die Annahme, Kohlenhydrate bzw. Glukose würden durch die Insulinwirkung sogleich in “neues“ Fett umgewandelt werden, ist ein biochemischer Irrtum. 3
Es ist geradezu grotesk, Kartoffeln als “Dickmacher“ hinzustellen, weil ihr Kaloriengehalt aufgrund ihres hohen Wassergehalts gering ist. Außerdem haben sie einen hohen Nährwert [siehe die unten angeführte Literatur: “Der Glykämische Index – über Sinn und Unsinn“ und die Stellungnahme der DGE, Teil 1 und Teil2]. Abgesehen davon nimmt man bei üblicher Ernährung (Mischkost) Kohlenhydrate ohnehin nie isoliert zu sich. Der glykämische Index (GI) ist alles andere als ein für die Ernährungspraxis relevanter Parameter. Dazu ist er erstens keine fixe Größe (keine einheitlichen Werte für den GI der verschiedenen Nahrungsmittel, mehrere Einflüsse lassen den GI schwanken, außerdem bestehen individuelle Unterschiede) und spielt zweitens für das Ausmaß der Insulinausschüttung keine entscheidende Rolle. Relevant hiefür ist vielmehr die “glykämische Last“ (glycemic load, GL) eines Nahrungsmittels. Dieser Parameter ist definiert als das Produkt aus dem GI und der Menge an Kohlenhydraten in Gramm geteilt durch 100. Damit werden die von den Glyx-Anhängern verpönten Kartoffeln oder Karotten wieder “rehabilitiert“. Es kann nicht oft genug betont werden, dass letztlich nur die Gesamtmenge an zugeführter Nahrungsenergie für die Energiebilanz und die Entstehung von Übergewicht relevant ist und nicht die einzelnen Makronährstoffe an sich. Die Irrationalität von Montignac und seiner Jünger gipfelt in der Behauptung, nicht die Zufuhr von zuviel Kalorien, sondern die Zufuhr von “falschen“ Kohlenhydraten wäre via das “böse“ Insulin Schuld an der Entstehung von Übergewicht. Insulin ist aber kein “Feind“ des Körpers. Es hemmt nicht die Betaoxidation (“Fettverbrennung“) als vorrangigen Modus der Energiebereitstellung. Die Insulininkretion wird nicht nur durch Zufuhr von Kohlenhydraten, sondern auch von Proteinen und – wenngleich in geringem Ausmaß – Fetten stimuliert. Das Ausmaß der postprandialen “Insulinantwort“ korreliert somit nicht nur mit dem glykämischen Index bzw. der glykämischen Last, sondern auch mit dem Energiegehalt der zugeführten Mahlzeit. Wer sich nur nach einem niedrigen GI orientiert, läuft Gefahr, sich zu fettreich und damit zu energiereich zu ernähren, was wiederum eine positive Energiebilanz und damit eine Speicherung von “neuem“ Fettgewebe begünstigt. Darüber hinaus verstärkt eine fettreiche Kost eine bereits bestehende Insulinresistenz weiter, weil die postprandial anflutenden Fettsäuren nicht nur ins Fettgewebe, sondern auch in die Leber und in die Muskulatur eingeschleust werden. Damit würde sich aus einer gestörten Glukosetoleranz in absehbarer Zeit ein manifester Typ 2-Diabetes mellitus entwickeln. Der Typ 2-Diabetes mellitus ist primär keine Zuckerkrankheit, sondern eine Fettkrankheit! Der vorübergehende postprandiale Insulinanstieg im Blut, der die Lipolyse kurzfristig hemmt, hat mit einem Hyperinsulinismus nichts zu tun. Der Insulinspiegel im Blut korreliert vielmehr mit dem Körperfettanteil, eine Hyperinsulinämie ist Folge und nicht Ursache der Adipositas. Es ist die Energiebilanz, die das Fließgleichgewicht zwischen Lipogenese und Lipolyse im Fettgewebe einstellt und damit über den Körperfettanteil entscheidet. Das gilt für jedermann, auch für Adipöse mit Hyperinsulinämie bzw. Insulinresistenz. Auch die teilweise so eindrucksvoll dicken Amerikaner sind nicht deswegen so dick geworden sind, weil sie zuviel Kohlenhydrate mit hohem GI, sondern weil sie zuviel Energie zugeführt haben – auf gut Deutsch, zuviel gegessen haben. Und darüber hinaus – ein ganz mitentscheidender Grund für eine positive Energiebilanz – ihren Energieumsatz durch körperliche Inaktivität heruntergeschraubt haben. Diese Zeiterscheinung unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft ist hauptverantwortlich für die Zunahme des metabolischen Syndroms. Die zur Zeit geführten Ernährungsdiskussionen in Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas gehen am eigentlichen Hauptproblem vorbei – nämlich an der Tatsache, dass die Menschen unserer Wohlstandsgesellschaft zuwenig körperlich aktiv sind [siehe DIE PRÄVENTIVMEDIZINISCHE BEDEUTUNG KÖRPERLICHER AKTIVITÄT…, siehe KÖRPERLICHE AKTIVITÄT BEI ADIPOSITAS…] Bei allem Verständnis für den glykämischen Index bzw. – sinnvoller – für die glykämische Last im Rahmen einer kohlenhydratbewussten Ernährung beim metabolischen Syndrom und Typ 2- Diabetes mellitus – wer die Ursache des Übergewichts nur in den “falschen“ Kohlenhydraten oder generell in den Kohlenhydraten sieht, verkennt die Realität. 4
Xavier Pi-Sunyer bringt es auf den Punkt (Zitat aus Diabetes Care 28:2978-2979,2005 (siehe unten): “we know from repeated studies (in fact, all the epidemiological studies mentioned above plus the present IRAS study, plus many others) that no one to date has found that the amount of carbohydrate eaten per day is significantly associated with the development of type 2 diabetes. This then, greatly diminishes the importance of high glycemic load as an important risk. My suggestion then, looking at the present study and others, is that until further evidence is available, we should concentrate on educating the public to opt for higher-fiber foods (especially cereal fiber) and downplay the glycemic index and glycemic load. There is excellent evidence that the higher-fiber foods, made up of whole grains, fruits, and vegetables, will do people good.” Ergebnisse des Journalistenseminars der DGE am 28./29. Januar 2003: “Glyx-Diäten“ propagieren, die Lösung des Problems Übergewicht sei allein die Reduzierung des glykämischen Index, die Höhe der Energie- und Fettzufuhr gelte dabei als irrelevant. Bei diesen Diäten werden ernährungswissenschaftliche Tatsachen mit falschen und unbewiesenen Behauptungen vermischt. Richtig und durch experimentelle und epidemiologische Studien bewiesen ist, dass schnell resorbierbare Kohlenhydrate zu einem höheren Blutzuckerspiegel und Insulinausschüttung führen. Bei überkalorischer Ernährung fördert dies die Fettsynthese und Ablagerung vorrangig im Bauchbereich (Stammfettsucht). Die Beurteilung des glykämischen Index ist als alleiniger Faktor der Gewichtsreduktion unsinnig, da die Blutzuckerwirksamkeit von zahlreichen anderen Faktoren mitbestimmt wird, wie etwa Flüssigkeitsgehalt der Nahrung, Temperatur sowie Fett- und Ballaststoffgehalt einer Mahlzeit. Bei Diäten wie der Montignac-Methode wird gleichzeitig eine extrem eiweißreiche und teilweise sehr fettreiche Kost empfohlen, die den wissenschaftlich fundierten Ernährungsempfehlungen widerspricht. Aktueller Nachtrag März 2006: Nach einer an 1255 Personen über 5 Jahre Studie hinweg durchgeführten Studie, die erst kürzlich im renommierten British Journal of Nutrition publiziert wurde (siehe unten bei “Wissenschaftliche Primärliteratur“) kommen die Wissenschafter zum Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem glykämischen Index und dem Blutzuckerspiegel gibt (was bereits die Studie von FLINT et al gezeigt hat, siehe Die Wahrheit über den Glykämischen Index und die Originalpublikation “The use of glycaemic index tables…“ , ebenso die Studie von ALFENAS/MATTES, “Influence of Glycemic Index/Load…“, siehe unten bei “Wissenschaftliche Primärliteratur“) Die Untersuchungsleiterin Elizabeth MAYER-DAVIS spricht sich dafür aus, den Gebrauch des Index abzuschaffen: “Der glykämische Index ist weder für Wissenschafter noch für Konsumenten zur Entwicklung einer gesunden Ernährung hilfreich“. Um abzunehmen und sich vor der Entstehung eines Typ 2-Diabetes zu schützen, seien die traditionellen Wege immer noch am sinnvollsten: Weniger essen und sich mehr bewegen. Dieser Aussage ist nichts mehr hinzuzufügen. Aktueller Nachtrag April 2007: Eine soeben im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlichte Studie von Sai Krupa Das et al, die die Langzeiteffekte einer kalorienreduzierten Diät mit einer hohen glykämischen Last gegenüber einer niedrigen GL verglich, ergab keine Unterschiede in Bezug auf Hunger, Sättigung und Zufriedenheit mit der Menge und Beschaffenheit der jeweiligen kalorienreduzierten Kost sowie im Grundumsatz und außerdem nach 12 Monaten keinen Unterschied in der Abnahme des Körpergewichts und Körperfettanteils. (Originalarbeit siehe unten bei “Wissenschaftliche Primärliteratur“) 5
Literatur und Links Univ.Prof. Dr. Kurt Widhalm, Mag. Doris Fussenegger Der Glykämische Index – über Sinn und Unsinn Die Wahrheit über den Glykämischen Index “Glyx- Diät”: missglückter Nutzen zur Gewichtskontrolle Glyx-Diät, LOGI & Co: Der Glykämische Index – Medialer Dauerbrenner und wissenschaftliches Streitthema! 1.Kalorienreduzierte Diäten: Glykämische Last nicht entscheidend für Langzeiterfolg (Originalpublikation s.u.) 2. Ergänzung zu “low carb-high protein“-Diäten Bewertung der Montignac-Diät Univ.Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa Der Mythos vom Zucker: Wieviele Kohlenhydrate sind unschädlich? Medical Tribune Nr. 19/03, S. 3 Dr. Karin Schindler, Univ.Prof. Dr.Bernhard Ludvik LOGI-Methode – Stein der Weisen für ein glückliches Schlanksein? JATROS Diabetes und Stoffwechsel 5/2006 Stellungnahme der DGE Glykämischer Index und glykämische Last – ein für die Ernährungspraxis des Gesunden relevantes Konzept? Teil 1: Einflussfaktoren auf den glykämischen Index sowie Relevanz für die Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 3 Teil 2: Umsetzung des Konzeptes eines niedrigen GI bzw. GL in Ernährungsempfehlungen für die Bevölkerung Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 4 Dr. Alexander Ströhle, Prof. Dr. Andreas Hahn Die Ernährung in der Steinzeit – was Evolution nicht erklärt Ernährungs-Umschau 50 (2003), S. 420-425 Unwissenschaftliche Nachschrift oder die endlose und dabei doch beendbare Ernährungsdebatte Ernährungsumschau 52 (2005), S. 180-186 Evolutionäre Ernährungswissenschaft und ‘steinzeitliche’ Ernährungsempfehlungen – Stein der alimentären Weisheit oder Stein des Anstoßes? Teil 1: Konzept, Begründung und paläoanthropologische Befunde Ernährungs-Umschau 53 (2006), S. 10-16 Teil 2: Ethnographische Befunde und ernährungswissenschaftliche Implikationen Ernährungs-Umschau 53 (2006), S. 52-58 James J. Kenney, Ph.D., R.D., F.A.C.N. Do High Glycemic Index Foods Cause Obesity and Diabetes? A look at the false claims made in Sugar Busters and the Zone Diet books. www.foodandhealth.com/cpecourses/giobesity.php Are Low-Carbohydrate Diets Good for What Ails You? www.acsh.org/publications/priorities/0804/diets.html Do High-Carbohydrate Diets Increase Heart Disease Risk? www.foodandhealth.com/cpecourses/stanford.php Ellen Coleman, RD, MA, MPH Carbohydrate Unloading: A Reality Check THE PHYSICIAN AND SPORTSMEDICINE – VOL 25 – NO. 2 – FEBRUARY 97 www.physsportsmed.com/issues/1997/02feb/carbo.htm David Mendosa The Satiety Index www.mendosa.com/satdigest.htm www.mendosa.com/satrank.htm How the Low-Carb Craze is Making Us Fat www.menshealth.com/cda/article/0,2823,s1-6-0-0-1303-2-2-2,00.html Low Carbs and Lower Journalistic Standards www.fumento.com/fat/media.html Low-Carb Diets May Hurt Heart Health www.kwwl.com/Global/story.asp?=253014 Hold the Lard – The Atkins Diet Still Doesn’t Work www.fumento.com/fat/lard.html 6
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